KI in der Medizin

12. Juni 2025

Die Zukunft der Medizin? Wie KI Ärzte unterstützt und wo sie an die Grenzen stösst.

Als Frau Meier das Spital betritt, ahnt sie nicht, dass dieser Tag ihr Leben für immer verändern wird. Die Ärzte mustern die MRI-Bilder und finden – nichts. Erleichterung breitet sich in ihren Gesichtern aus. Doch aus reiner Vorsicht übergeben sie die Aufnahmen an eine KI zur genaueren Analyse. Die Analyse der KI zeigt einen kleinen Schatten hinter dem Lungenflügel, welcher für ein menschliches Auge kaum erkennbar ist. Die Ärzte haben sich geirrt. Frau Meier hat Krebs. Fälle wie dieser zeigen, welches Potenzial die KI in der Medizin haben kann. Doch bedeutet das, dass sie Ärzte bald ersetzen wird? Ich denke nicht, sagt Dr. Verena Schöning: „Insofern kann es dem Spital Arbeit abnehmen beziehungsweise anders verteilen. Aber jetzt wirklich einfach einen gesamten Menschen ersetzen, kann die KI nicht.“

Dieses Bild wurde von der KI generiert.

 Ein Gespräch mit Verena Schöning und Alban Ramette
Der laute Lärm des Bahnhofs treibt uns nach oben zu den Bänken, wo wir einen ruhigeren Platz finden, um unser Interview mit Verena Schöning durchzuführen. Sie arbeitet beim Inselspital im Bereich Maschinelles Lernen, weshalb sie vor allem mit Daten arbeitet. Als sie uns von ihrem letzten Projekt erzählte und wir dann antworteten, dass sich dies sehr spannend anhöre, muss sie lachen. Wir sind überrascht, dass sie lacht, aber als sie dann sagt: „Es klingt sehr spannend. Wenn du mit Daten arbeitest, vor allem mit maschinellem Lernen, braucht man Daten. Momentan beschäftige ich mich aber damit, 14.000 Einträge zu kontrollieren, dass die 14.000 Einträge wirklich aus der Literatur richtig übernommen wurden. Es ist einfach viel Zeit, Daten zu sammeln, Daten aufzubereiten, Daten schön zu machen. Es sind viele Daten, und dass man wirklich ein spannendes Modell entwickelt, ist eigentlich vielleicht 10% der Zeit.“ verstehen wir, wieso sie vorhin gelacht hat. Die Vorstellung, dass der grösste Teil der Datenwissenschaft nicht in der Entwicklung hochkomplexer Modelle, sondern in der mühsamen Vorarbeit liegt, war uns zuvor nicht bewusst gewesen. Ein weiteres spannendes Anwendungsfeld lernen wir bei unserem zweiten Interview kennen. Das Interview beginnt holprig. Wir haben unseren Bus verpasst und müssen rennen, um es noch rechtzeitig zur Klinik für Infektionskrankheiten zu schaffen. Ausser Atem, aber erleichtert, kommen wir schliesslich an – und werden dort direkt freundlich von Herrn Alban Ramette empfangen. Er arbeitet in einem Team von acht Personen, das sich mit Infektionskrankheiten beschäftigt. Ihre Arbeit ist für die Insel-Gruppe enorm wichtig, und wir waren gespannt, mehr darüber zu erfahren. Herr Ramette nimmt sich Zeit, uns von seinem Beruf und seinem Team zu erzählen, bevor wir ihm unsere Fragen stellen können. Besonders spannend finden wir, wie Künstliche Intelligenz in seiner Arbeit genutzt wird. „Ich integriere KI in meinen Arbeitsalltag, indem ich KI-Tools für die Datenanalyse, die Automatisierung von Aufgaben und die Codegenerierung verwende“, erklärt er uns. Es ist beeindruckend zu hören, wie moderne Technologien dabei helfen, Forschung effizienter zu machen. Nach dem Interview bekommen wir noch eine Führung durch die Labore. Die hochmodernen Maschinen und Geräte, mit denen dort gearbeitet wird, sind echt faszinierend. Es ist spannend zu sehen, wie hier Wissenschaft und Technik zusammenkommen, um Krankheiten besser zu verstehen und zu bekämpfen. Als wir die Klinik verlassen, sind wir voller neuer Eindrücke. Der stressige Start ist schnell vergessen – stattdessen bleibt die Begeisterung für das Thema und die Erkenntnis, wie wichtig diese Arbeit ist.

Wo wird die KI in der Medizin schon eingesetzt?
Künstliche Intelligenz wird in der Medizin auf vielfältiger Weise genutzt. Man kann sie verwenden, um Bildanalysen zu machen, Daten vorherzusagen, digitale Zwillinge zu generieren, sowie für das Tracking der Patienten und Patientinnen; z.B. mit dem Versuch den Puls und andere Messwerte der Patientinnen und Patienten über einen Ring messen zu lassen.». Um wieder Bezug auf unser Beispiel am Anfang zu nehmen, gab Verena uns ein illustratives Beispiel: „Wo der Krebs genau sitzt, muss man markieren. Früher haben sich die Leute hingesetzt und sind dann am Computer mit der Maus den Rändern vom Krebs nachgefahren. Das ist ein Teilgebiet, welches die KI wunderbar übernehmen kann.“

Was sind die Positiven und Negativen Aspekte der Verwendung der KI?
Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz bietet zahlreiche Vorteile. Besonders herausragend ist ihre Fähigkeit, grosse und komplexe Datenmengen effizient zu verarbeiten. Während Menschen nur eine begrenzte Menge an Informationen aufnehmen und analysieren können, erkennt eine KI Muster in Millionen von Datenpunkten. Dies kann Ärzten helfen, schnellere und genauere Diagnosen zu stellen. Die KI bringt auch einen Vorteil, wenn man Texte übersetzen möchte. Dr. Verena Schöning erklärt: „Ein Computer kann riesige Datenbestände speichern und sie mühelos zwischen verschiedenen Sprachen übersetzen. Das bedeutet, dass ich theoretisch auf medizinische Informationen in Japanisch zugreifen könnte, die mir sonst nicht zur Verfügung stünden.“ Ein weiterer Vorteil zeigt sich in der Medikamentenentwicklung. KI kann gezielt berechnen, wie Wirkstoffe mit bestimmten Proteinen interagieren, und so die Forschung erheblich beschleunigen. Dies spart Zeit und Kosten und kann dazu beitragen, neue Medikamente schneller für Patientinnen und Patienten verfügbar zu machen. Doch obwohl die KI sehr viele Vorteile hat, bringt sie auch einige Nachteile. Eine grosse Diskussion ist der Datenschutz der Patienten und Patientinnen. Im Interview mit Verena Schöning haben wir erfahren, dass Datenschutz in der Schweiz kein grosses Problem sei, wie von uns angenommen. Sie erklärt uns: „In der Schweiz selbst ist es nicht so einfach, mit Daten zu forschen, wenn sie von einem Menschen stammen. Also wenn ich jetzt ein Forschungsprojekt starten möchte, dann muss ich der Ethik schreiben, dann schreibe ich der Ethik einen Antrag und sage, wie bei jeder medizinischen Studie, und sage, was ich machen möchte. Dann bekomme ich die Genehmigung oder auch nicht. Und ich kriege auch klar, wer darf die Daten sehen. Ich kriege die Daten von unserem Science Center, also wie wir Daten verwalten, nur in anonymisierter Art. Das heisst, ich kann nicht mal auf eine einzelne Person zurückschliessen. Also wir sind so weit anonymisiert, dass ich es nicht weiss.“

Neben Datenschutz gibt es auch technische Herausforderungen. Ein grösseres Problem ist es, dass es der KI an Langzeitspeicher fehlt. Wenn man z.B. einen Chat bei ChatGPT beginnt, dann kann sich ChatGPT nicht alles merken, der Speicher der KI ist nämlich in seiner Länge begrenzt. Wenn man also KI für Patientendossiers verwendet, sind diese oftmals viel umfangreicher als das, was sich die KI merken kann. Dies führt dazu, dass man sehr viel Zeit verliert, da man immer wieder neu beginnen muss. Die KI kann auch wie wir Menschen Fehler machen, weshalb man sich nicht 100-prozentig auf die KI verlassen kann. Aber nicht nur aus der Sicht der Technik und Sicherheit ist es kritisch, die KI in der Medizin anzuwenden, sondern auch aus moralischer Sicht. Denn KI hat nicht das Einfühlungsvermögen, welches ein Arzt hat, und somit ist es sehr wichtig, dass ein Arzt Diagnosen selbst formuliert, anstatt sie von der KI formulieren zu lassen. Die KI kann auch keine Verantwortung übernehmen und keine Rechenschaft ablegen. „Also, wenn gerade in der Medizin ein Arzt eine Diagnose stellt, muss er später dafür geradestehen. Und wie will ich das mit einer KI machen, wenn da keine Verantwortung hinter ihr steht? Das kann KI nicht. Wie will ich das verklagen?“ Dies waren auch Bedenken, welche Verena hatte. Ein sehr grosser Nachteil ist es auch, dass der Mensch an Fähigkeiten verliert, wenn er die KI seine ganze Arbeit erledigen lässt. Z.B. verliert man die Fähigkeit, Texte zu interpretieren und sinnerfassend zu lesen. Wenn man also mit der KI arbeitet, muss man verstehen, was sie ausgibt, welche Limitation die KI hat, gleichzeitig muss man auch immer ihre Ergebnisse kritisch hinterfragen. Weshalb man das Verwenden der KI in der Medizin auch noch bedenken sollte, ist die umweltunfreundliche Natur der KI. „Im Vergleich zu Google glaube ich, braucht es zehnmal so viel Energie für eine Chat-GPT-Anfrage als für die Google-Anfrage“, erzählte uns Verena mit einem ernsten, aber auch ein wenig bekümmerten Gesichtsausdruck. Dies ist ein grosser Nachteil, wenn man daran denkt, dass die KI eines Tages in den Spitälern und Arztpraxen in den Arbeitsalltag integriert werden sollte. Dies würde viel zu viel Energie verbrauchen. Man muss eine nachhaltigere Lösung finden.

Neugierig wollten wir wissen, was unsere Interviewpartner an der KI so fasziniert und wieso sie sich entschieden haben, in diesem Gebiet zu arbeiten. Dr. Verena Schöning überlegt kurz und antwortete dann mit einem Lächeln: „Ich programmiere. Programmieren ist wie ein Rätsel lösen. Man kriegt Fehlermeldungen, man hat seine Daten und dann probiert man aus den Daten, was rauszuholen. Also mich interessiert der forschende Aspekt, und für mich ist KI einfach ein Hilfsmittel, das zu tun. Ja, also mich interessiert wirklich der forschende Aspekt und nicht die KI direkt.“ Herr Dr. Alban Ramette sagte uns mit Freude: „Mich fasziniert die Fähigkeit der KI, aus Daten zu lernen und komplexe Probleme zu lösen. Ich finde es spannend, wie KI die Forschung und die Arbeitswelt verändern kann.“ Obwohl beide Antworten sehr unterschiedlich sind, können wir beide sehr gut nachvollziehen.

Wie sehen Experten die Zukunft der KI?
Denken sie trotz der Risiken, positiv über die Verwendung der KI in der Medizin? Die Medizin der Zukunft wird ohne Künstliche Intelligenz kaum vorstellbar sein. Dr. Verena Schöning erklärt: „Ohne KI müsste ich unzählige Stunden damit verbringen, Daten zu sammeln, zu übersetzen und zu analysieren. Sie nimmt uns Arbeit ab – aber der grösste Teil besteht aus Datenaufbereitung, nicht aus spektakulären Erkenntnissen.“ Auch Dr. Alban Ramette sieht KI als wertvolles Werkzeug: „Sie hilft, Forschung effizienter zu machen, indem sie Daten analysiert und Prozesse automatisiert.“ Doch Datenschutz, technologische Grenzen und der hohe Energieverbrauch bleiben grosse Herausforderungen. Wie denken Sie über die Verwendung der KI in der Medizin? Würden Sie sich trotz der Risiken von einem Arzt, welcher die KI verwendet, behandeln lassen?

"Die Vergangenheit hat gezeigt, dass die Wirklichkeit oft die Erwartung übertrifft." Experte Jürgen Drewe.